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  • AutorenbildHund im Alltag - Madlyn Drogoin

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Aktualisiert: 28. Jan. 2023

Im Alltag ist jeder Hund irgendwann einmal Situationen ausgesetzt, welche in ihm Stress auslösen oder die er sogar als bedrohlich einstuft. Leider erlebe ich oft, dass der Mensch solche Situationen als harmlos oder gänzlich falsch einstuft. Der Klassiker sind Hundebegegnungen auf Hundewiesen, in denen die Hunde vermeintlich in ein "tolles Spiel" geschickt werden. Auch das Betatschen eines süssen Welpen, der das offensichtlich über sich ergehen lässt, gehört zu diesen Phänomenen. Beisst der Hund dann einige Monate später zu, kann sich niemand erklären, wie es plötzlich dazu kommen konnte. Dabei hätte man es vermeiden können, wenn ein gewisses Grundverständnis für den eigenen Hund und seine Signale vorhanden gewesen wäre. Unabhängig von der menschlichen Einschätzung, entscheidet nämlich ganz allein der Hund, was für ihn eine Bedrohung oder Gefahr darstellt.


Kommt ein Hund in eine Konfliktsituation, hat er laut Lerntheorie 4 Möglichkeiten zu reagieren. Man spricht dabei von den 4 Fs der Verhaltensreaktionen eines Hundes. Sie werden aus dem englischen übernommen und auch Bewältigungstrategien oder Konfliktstrategien genannt: Freeze, Fiddle, Flight und Fight


Ein wichtiger Hinweis vorab: Mitbestimmend für die Art des Umgangs eines Hundes mit herausfordernden Situationen sind unter anderem Lernerfahrungen, Begleitumstände, körperliche Befindlichkeiten, Persönlichkeit, Rasseeigenschaften und Motivation.


𝔽𝕣𝕖𝕖𝕫𝕖 - 𝔼𝕚𝕟𝕗𝕣𝕚𝕖𝕣𝕖𝕟, 𝔼𝕣𝕤𝕥𝕒𝕣𝕣𝕖𝕟

Die Freeze-Strategie ist nicht nur unter Hundebegegnungen zu beobachten. Auch sehe ich sie häufig in der Hund-Mensch-Beziehung. Der Hund duckt sich, erstarrt, bleibt abrupt stehen und verharrt in einer Situation. Er lässt bestimmte Situationen über sich ergehen und man kann evtl. Unterwerfungsgesten beobachten.


Ein klassischen Beispiel für das Einfrieren ist das Problem mit dem Rückruf. Oft wird der Hund zurück gerufen, wenn er ein unerwünschtes Verhalten zeigt. Klappt der Rückruf dann nicht wie erwünscht, wird der Mensch deutlicher: „Komm SOFORT her!“ Der Hund bleibt plötzlich wie angewurzelt stehen und nichts geht mehr. Warum? Der Mensch fordert verbal das Herankommen, doch seine angespannte Körperhaltung und seine negative Energie vermittelt dem Hund, er solle bloss weg bleiben. Der Hund gerät in einen Konflikt, denn er soll ihm ja eigentlich frontal entgegen laufen.


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Für mich persönlich ist diese Bewältigungsstrategie die spannendste in der Praxis. Beim „Fiddle“ oder „Fiddle about“ sprechen wir vom oft gesehenen Herumalbern. Meist ist die Freude beim Besitzer über den allseits freundlichen Hund sehr gross, da er in den meisten Begegnungen mit Artgenossen vermeintlich zum Spiel auffordert. Schaut man jedoch genauer hin, passt das gezeigte Herumalbern oft nicht zur angespannten Situation. Man kann es von einem wirklichen Spiel unter anderem an der zunehmenden Erregung, der Situation an sich, an der Art der Bewegungen und an der Reaktion des anderen Hundes unterscheiden.


Es ist wichtig, die Feinheiten im scheinbaren Spiel zu beachten, um das „Fiddle“ vom wirklichen Spiel zu unterscheiden. Nicht selten fällt der Hund, welche die vermeintliche Spielaufforderung gestartet hat in die Rolle des Gejagten. Kommt nun zunehmend Energie in der ohnehin angespannten Situation auf, kann die Situation schnell kippen. Jedoch ist diese Strategie immer noch die bevorzugte Lösung unter Hunden, um eine friedliche Lösung eines Konflikts zu finden.


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Eine der offensichtlicheren Bewältigungsstrategien zur Konfliktlösung ist die Flucht. Ist nicht absehbar, dass die Situation friedlich gelöst werden kann, dann ist die sicherste Möglichkeit, ihr aus dem Weg zu gehen. Dabei bedeutet Flucht hier nicht immer, mit Vollgas zu verschwinden, sondern eine unangenehme Situation zu vermeiden. Auch wenn ein unsicherer Hund zu Hause unter dem Sofa verschwindet, sobald der Staubsauger in Sicht kommt, gehört das zum Fluchtverhalten.


In der Praxis beobachte ich das Fluchtverhalten insbesondere bei Hunden, welche aus Linien stammen, in denen bereits Unsicherheiten auftauchen oder bei Hunden, deren Sozialisierungs- und Prägephase seitens Züchter und/oder Besitzer versäumt wurden. Auch Hunde aus dem Ausland greifen auf diese Strategie zurück. Wenn ein Hund mit vier Jahren von seinem ruhigen Leben ohne Menschen plötzlich in die Stadt ziehen soll, gerät er ständig in Konflikte mit seiner Umwelt. Meistens versuchen diese Hunde dann Problemen aus dem Weg zu gehen.


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Diese Strategie beginnt nicht erst beim Angriff. Lässt eine Situation keine andere Bewältigungsstrategie zu, zeigt ein Hund (im Idealfall) bereits viele kleine Signale wie Zähne zeigen oder Knurren. Die Fight-Strategie ist ein Aggressionsverhalten. Was in der Lerntheorie (meiner Meinung nach) leider oft zu kurz kommt, ist der klare Unterschied zwischen der offensiven und defensiven Aggression.


Offensiv - angriffsmotiviert, proaktiv, provozierend, fixierend mit hoher Stellung

Defensiv - verteidigungsmotiviert, reaktiv, abwehrend mit tiefer Stellung, teils angstbedingt


Fühlt ein Hund sich so bedroht, dass er die Fight-Strategie wählt, geht er (im Idealfall) die Stufen der Eskalationsleiter hinauf. Gerät so ein Hund nun in Hände, die durch falsches Timing, fehlende Alternativen, mangelndes Sachverständnis oder Überforderung wichtige Drohgebärden "abstellen", hat man schnell eine tickende Zeitbombe an seiner Seite.


Ein klassisches Beispiel aus der Praxis ist die Leinenagression. Durch die Leine ist der Hund in seiner Kommunikation stark eingeschränkt. Die Flucht bei Konflikten ist schonmal ausgeschlossen und Spielaufforderungen sind so gut wie nicht möglich. Übersprungshandlungen werden oft nicht gesehen oder falsch interpretiert. Selbstständig gewählte Alternativen wie Schnüffeln, Wälzen oder Gras fressen werden abgebrochen, sei es aus menschlicher Überforderung mit der Situation oder durch Weitergehen. Also wird dem Hund auch hier vermittelt, dass dieses Verhalten nicht erwünscht ist. Er hat somit aus seiner Sicht nur noch die Option, nach vorn zu gehen, um sich zu schützen.


 

Konflikte gehören zum Alltag dazu und auch das Aggressionsverhalten ist ein Kommunikationsmittel unter Hunden. In der Regel vermeiden Hunde die Konfliktlösung mittels direktem Angriff aus einem natürlichen Selbstschutz heraus. Es könnten ernste Verletzungen dabei entstehen, die im schlimmsten Fall zum Tod führen.


Im besten Fall hat ein Hund mehr Strategien gelernt, als direkt zu beissen. Darum ist es wichtig, Konfliktsituationen aus Sicht des Hundes zu erkennen, ihn bei der Deeskalation zu helfen oder ihm einen anderen Weg aufzuzeigen.



Verschiedene Hunde kommunizieren auf einer Wiese
Hund im Alltag - Hundebetreuung & Verhaltensberatung | Madlyn Drogoin

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